Sie wollen auf dem Laufenden bleiben?

Tragen Sie hier Ihre Email-Adresse ein:

Mehr als Arbeit! Ein Landwirt berichtet


Mehr als Arbeit


Milchviehhaltung hat etwas mit Erfahrung und Entwicklung zu tun. Kein Milchviehhalter wird sich spontan für die Milcherzeugung als Produktionszweig entscheiden und dies nach kurzer Zeit wieder aufgeben, um sich einem Verfahren zuzuwenden. Kaum ein Verfahren erfordert so viel Einsatz, so viel Leidenschaft und so viel Zeit, wie die Milchviehhaltung. 


Ich blicke auf mehr als 50 Jahre Milchviehhaltung zurück. Zu Beginn meiner Kindheit war es die Anbindehaltung der Kühe im Stallteil des kombinierten Stall-Wohnhauses. Die Nähe zwischen Mensch und Tier konnte man da noch jederzeit riechen. Die Milch wurde in Kannen an die Straße gestellt. Jeder Arbeitsschritt bedeutete pure Handarbeit, ein Knochenjob. 


1973 baute mein Vater zwei Kilometer vom Dorf entfernt inmitten der zum Hof gehörenden Grünlandflächen einen Boxenlaufstall für 50 Kühe und zusätzlichem Platz für das Jungvieh. Also den Kälbern und heranwachsenden Tieren bis zu einem Alter von etwa 2 Jahren. Für jede Kuh gab es schon damals eine eingestreute Liegebox, die heranwachsenden Jungrinder standen Spaltenboden. Eine Haltungsform ohne Einstreu. Sämtliche Ausscheidungen gelangen durch Spalten im Fußboden in den Keller des Stallgebäudes, werden dort zwischengelagert und in der Vegetationszeit als so genannte Gülle auf die Felder gefahren. 


Die Automatisierung schritt voran. Gemolken wurde in einem Fischgräten Melkstand. Der Begriff Fischgräte beschreibt die Form der Standplätze für die Kühe im Melkstand. Zwei Personen schafften die 50 Kühe in gut 2 Stunden zu melken. Mitarbeiter konnten wir uns damals nicht leisten. Eine 7 Tage Woche und 365 Tage Arbeit im Jahr waren normal.


Während bis zum Bau des neuen Stalles im Jahre 1973 noch überwiegend Heu an die Milchkühe gefüttert wurde, welches man über Sommer einfuhr und mit harter Arbeit auf dem Dachboden brachte, um es im Winter an die Tiere zu verfüttern, stellte man sich in den 1970ér Jahren zunehmend auf die Silagefütterung ein. Hierbei wird das Futter nicht mehr vollständig getrocknet, sondern mit einer Folie luftdicht verschlossen und durch eigenständige Silierung haltbar gemacht. Das Füttern selbst bedeutete nach wie vor viel Handarbeit, die Siloentnahmetechnik entwickelte sich nur langsam. Dampfendes Futter zeugte von einem unausgereiften System, welches sich jedoch kontinuierlich verbesserte.


Heute werden auf unserem Hof ca. 300 Kühe gehalten. Der alte Boxenlaufstall wird jetzt als Jungviehstall genutzt. Der aktuelle Laufstall für die melkenden Kühe hat 250 geräumige Liegeboxen und wird auch als „Aussenklima- Stall“ bezeichnet. Traufseitig können die Wände durch Vorhänge, sogenannte „Curtains“ komplett geöffnet oder geschlossen werden. 

Bei den Liegeboxen handelt es sich um „Tiefboxen“, die mit einem Kalk- Stroh- Gemisch einmal wöchentlich eingestreut werden.


Die Stalldecke besteht aus isolierten, auf der Unterseite weißen Sandwich- Paneelen. Somit ist der Stall hell und kann sich bei Sonnenschein nicht aufheizen. Die planbefestigten Laufflächen sind griffig und rutschfest, es ist reichlich Platz vorhanden, damit innerhalb der großen Herde auch rangniedere Kühe bequem ausweichen können und genügend Möglichkeiten zum Fressen und Trinken haben.


Die Futtervorlage erfolgt einmal am Tag. Die laktierenden Kühe erhalten entsprechend der Milchleistung zwei unterschiedliche Futtermischungen, bestehend aus Grassilage, Maissilage sowie etwas gehäckseltem Stroh. Zusätzlich wird Mais- und Rapsschrot sowie gequetschter Weizen und Sojaschrot gegeben.


Kühe geben nicht das ganze Jahr über Milch. Die Laktationszeit beträgt nur 305 Tage im Jahr. Die verbleibenden 2 Monate stehen die Tiere trocken. Erst mit der jährlichen Kalbung settzt die Laktation wieder ein. Etwa drei Wochen vor dem Kalben kommen die Kühe in einen geräumigen Strohstall. Dort findet auch die Geburt statt.


Die Kälber bleiben nicht bei ihrer Mutter, denn die Kuhmilch ist zum Verkauf bestimmt. Sie erhalten eine separate Kälberbox und werden mit Milchpulver versorgt bis sie feste Nahrung aufnehmen können. Die Kühe haben direkt am Melkstand einen weiteren Strohstall, der für die ersten Tage nach dem Kalben eine gute Beobachtung und Versorgung der Tiere ermöglicht.


Der heutige Melkstand hat 44 Plätze und wird als „Swing- Over Melkstand“  bezeichnet. Er besitzt 22 Melkzeuge. Es können 150 Kühe pro Stunde gemolken werden. Die Milchmengenerfassung für jedes Tier ermöglicht eine individuelle Gesundheitsüberwachung. 

Durch den beweglichen Melkstandboden kann jeder Melker seine individuelle Arbeitshöhe einstellen. Dies ist ein enormer Fortschritt für die Arbeitsqualität beim Melken. Erstmals kann vollständig aufrecht gearbeitet werden. Die Vorkühlung mit Brunnenwasser und die zusätzliche Wärmerückgewinnung sorgen für einen sparsamen Energieeinsatz.

Der Betrieb liegt inmitten der Grünlandflächen von 130 Hektar.


Während der Trockenstehenphase haben die Kühe freien Weidegang. Auch die tragenden Rinder kommen im Sommer auf der Weide. 70 Hektar Ackerland teilen sich auf in 50 Hektar Silomais, 15 Hektar Weizen und 5 Hektar Ackergras.


Nach mehr als 50 Jahren Leben auf dem Bauernhof kann ich feststellen, dass sowohl unsere Familie, wie auch unsere Tiere es nie so gut hatten wie heute. Die Ruhe im Kuhstall ist beeindruckend, und wenn der Blick abends nach verrichteter Arbeit über die Tiere schweift,   - Einige sind entspannt am Fressen, Andere liegen wiederkäuend in ihren Boxen -, dann überträgt sich die Stimmung auch auf den Menschen und zufrieden macht man Feierabend.


Erst eine bestimmte Betriebsgröße ermöglicht es, auch soziale Belange bei der Arbeit zu berücksichtigen. Freie Wochenenden, Urlaub, Ausfallzeiten bei Krankheiten und auch Weiterbildung sowie ehrenamtliches Engagement sind nur denkbar, wenn man beizeiten ersetzbar ist. 


Wir stehen hinter dem, was wir tun. Darum sind wir auch jederzeit bereit, den Betrieb zu zeigen. Besichtigungen durch Schulklassen, Gruppen oder auch Familien sind möglich.

Zudem findet seit einigen Jahren am Sonntag vor Heilig Abend ein Gottesdienst auf dem Futtertisch statt. Spätestens dann bewirkt die Ruhe der Kühe bei den Besuchern eine weihnachtliche Stimmung.


Familie Britta und Hans-Peter Meyn


Autor:
Meyn, Hans-Peter


Zum Hof