Thema des Monats
Die Zukunft der EU-Landwirtschaft
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Anfang September die Ergebnisse des strategischen Dialogs zur Zukunft der Landwirtschaft in der EU („Agrardialog“) vorgestellt. Demnach muss die Landwirtschaft nachhaltig weiterentwickelt werden, wenn sie zukunftsfähig sein will. Laut des Berichts, den rund 30 Vertreterinnen und Vertreter von Agrarindustrie, Grundeigentümern, Verbraucherorganisationen, Umweltgruppen, Finanzinstituten und Hochschulen zusammen beschlossen haben, braucht es gemeinsame Anstrengungen, um Herausforderungen wie etwa die Klimakrise oder den Verlust der Biodiversität zu bewältigen und gleichzeitig landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftlich tragfähige Perspektive zu eröffnen. Konkret lauten die Empfehlungen wie folgt:
1) Stärkung der Position der Landwirtinnen und Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette: Mehr Überschuss durch gesteigerte Effizienz aufgrund engerer Zusammenarbeit.
2) Entwicklung eines neuen Ansatzes zur Verwirklichung von Nachhaltigkeit: Die Mitglieder fordern die Einführung eines EU-weiten Benchmarking- Systems im Agrar- und Ernährungssektor, um die Methoden der Nachhaltigkeitsbewertung zu vereinheitlichen.
3) Eine zielgerichtete Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) auf den Weg bringen: Bereitstellung sozioökonomischer Unterstützung für diejenigen Landwirtinnen und Landwirte, die sie am dringendsten benötigen; Förderung positiver gesellschaftlicher Leistungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Tierwohl und Schaffung von Rahmenbedingungen für lebenswerte ländliche Räume. Sehr viel gezieltere Förderung; weniger „Gießkannenprinzip“.
4) Finanzierung des Übergangs: Zusätzlich zur GAP sollte ein befristeter Agrarfonds für faire Weiterentwicklung des Agrar- und Ernährungssystems (Agrifood Just Transition Fund - AJTF) eingerichtet werden, um die Unterstützung für eine rasche Nachhaltigkeitsentwicklung des Sektors zu ergänzen.
5) Förderung von Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in der Handelspolitik: Der derzeitige EU - Verhandlungsansatz in den Bereichen Landwirtschaft und Agrarprodukten muss überdacht werden. Dazu muss die Europäische Kommission die strategische Bedeutung von Landwirtschaft und Lebensmitteln in Handelsverhandlungen stärker unterstreichen.
6) Gesunde und nachhaltige Entscheidungen einfach machen: Der Ernährungstrend zu weniger tierischen Erzeugnissen und mehr pflanzlichen Proteinen soll gefördert werden. Lebensmittelkennzeichnungen überarbeiten, an Kinder gerichtete Werbung überprüfen, Steuervergünstigungen für gesunde Lebensmittel.
7) Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Produktionsmethoden: Spezifische Empfehlungen zur Förderung der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft, zur Reduzierung von externem Input wie Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel sowie zur Entwicklung und Nutzung der biologischen Schädlingsbekämpfung. Gleichzeitig müssen die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten den Ökolandbau sowie agrarökologische landwirtschaftliche Verfahren weiter unterstützen.
9) Für eine nachhaltige Tierhaltung in der EU: Förderung innovativer Ansätze für das Wirtschaften in Kreisläufen; in Gebiete mit hoher Besatzdichte Alternativen erarbeiten; Tierwohlkriterien EU-weit neu festlegen.
10) Weitere Maßnahmen zur besseren Erhaltung und Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, zur Förderung einer wasserresilienten Landwirtschaft und zur Entwicklung innovativer Ansätze in der Pflanzenzucht: Bis 2050 soll ein Netto-Null-Flächenverbrauch erreicht und dafür eine neue europäische Beobachtungsstelle etabliert werden; durch die innovativen Ansätze sollen die Naturalerträge stabil gehalten werden.
11) Förderung eines robusten Risiko- und Krisenmanagements: Besserer Zugang der Landwirtinnen und Landwirte zu landwirtschaftlichen Versicherungen. Ebenso ist eine Reform der derzeitigen Agrarreserve ist erforderlich, die besser auf außergewöhnliche und katastrophische Risiken ausgerichtet werden sollte.
12) Schaffung eines attraktiven und vielfältigen Sektors: Der Generationswechsel im Agrar - und Ernährungsbereich muss vorangetrieben werden; außerdem die Erleichterung der Eigentumswechsel bei Agrarflächen. Förderung von Junglandwirten; Geschlechterungleichheiten und mangelnde Diversität in der Branche angehen.
13) Besserer Zugang zu und bessere Nutzung von Wissen und Innovation: Unabhängige Beratungsdienste sind in diesem Prozess von entscheidender Bedeutung. Mehr öffentlich-private Partnerschaften und größere Investitionen in Forschung und Innovation sind besonders wichtig.
14) Veränderung der Governance und neue Kooperationskultur: Ein Europäisches Agrar- und Ernährungsforum (European Board on Agri-Food [EBAF]) soll eingerichtet werden. Diese neue Plattform, der Akteure des Agrar -und Ernährungssektors, zivilgesellschaftliche Organisationen und Wissenschaftsvertreterinnen und -vertretern angehören werden, sollte Strategien dafür erarbeiten, wie sich der vom Strategischen Dialog erarbeitete konzeptionelle Konsens umsetzen und weiterentwickeln lässt, um nachhaltigere und resilientere Agrar- und Ernährungssysteme zu schaffen. Neben der Einrichtung dieses neuen Gremiums sollte die Governance dieses Politikfeldes auf EU-Ebene in jedem Falle besondere Aufmerksamkeit darauf legen, kluge Verwaltungslösungen zu entwickeln, unnötigen Bürokratieaufwand zu vermeiden, gründliche Folgenabschätzungen durchzuführen und möglichst inklusive politische Beratungs- und Entscheidungsverfahren sicherzustellen.